Wer bewohnte die zahlreichen Türme im großen Kaukasus?
Georgien schlummert als Reiseland bisher im Dornröschenschlaf. Und das trotz seiner märchenhaften Landschaften, den schneebedeckten Bergen, glasklaren Flüssen und seinen mittelalterlichen Türmchen.
Die Türme interessierten mich während meiner Reise besonders. Ich entdeckte sie überall im großen Kaukasus verteilt. Mit dem Geländewagen unterwegs, entdeckte ich sie an den Talrändern rechts und links von mir. Noch beeindruckender, war die Perspektive von oben. Ich flog in Gudauri mit meinem Gleitschirm über ihnen hinweg und bewunderte ihre schlanke, viereckige Bauweise. Manche sahen perfekt intakt aus, andere standen kurz vor dem Einsturz oder waren nur noch als Umriss einer Burgruine erkennbar.
Die Türme sind nur schwer zu erreichen
Mit einem Einheimischen aus der Region wollte ich mir einen dieser Türme näher ansehen. Das gestaltete sich zumindest im Umkreis von Gudauri schwieriger, als gedacht. In Sichtweite hieß noch lange nicht, dass der Turm zugänglich war. So befinden sich einige von ihnen zwar gut sichtbar, aber leider unzugänglich, im Gebiet der mit Russlands Hilfe abgespaltenen Region Südossetien. Andere stehen auf Privatgrund oder sind zu Fuß schwer erreichbar.
Türme kurz vor dem Einsturz
Auch die UNESCO interessiert sich für die Türmchen aus längst vergangener Zeit. Vor allem in Oberswanetien, das liegt im Nordwesten von Georgiens, stehen laut der UNESCO über 200 dieser mittelalterlichen Türme. Einige gehören mittlerweile zum Weltkulturerbe. Zum Beispiel in den Dörfern von Ushguli. Sie stammen aus dem 10. Jahrhundert und trotzen seither den Naturgewalten, die von Schneelawinen bis Erdbeben reichen.
Übrigens! Kennst du schon meinen Georgien Roman?
Träume fliegen mit dem Wind
Ein Roadtrip, der vielseitiger nicht sein könnte. Über dringend gebrauchte neue Lebensträume und der Frage, ob ein Urlaub die Bruchstücke eines Lebens wieder zusammenfügen kann.
Trotzdem stehen einige der Türme mittlerweile kurz vor dem Einsturz und bedürfen Restaurationsarbeiten. Georgien möchte seine nationalen Kulturdenkmäler schützen und ruft Projekte gegen den Verfall ins Leben. Das soll auch vermehrt Touristen anlocken, die sich von Georgiens Landschaft und seinen Türmen verzaubern lassen sollen.
Früher im großen Kaukasus: Wer lebte hier?
Mit etwas Geduld fanden wir dann doch noch einen zugänglichen Turm. Wir kletterten um die äußeren Mauern herum, wobei sichtbar wurde, dass es weitere Gebäude um den Turm gegeben haben musste, die allerdings schon verfallen waren. Den Eingang zum eigentlichen Turm in der Mitte der Ruine suchten wir zunächst vergeblich.
Übrigens! Kennst du schon meine ganz persönliche Reisegeschichte für dich?
Hol dir deine
Geschichte für 0€
Das Besondere?
Sie ist 100%ig wahr und enthält
- einen meiner schwärzesten Lebenstiefpunkte
- und einen meiner unvergesslichsten Lebenshöhepunkte.
„Wer lebte in den Türmen“, fragte ich meinen Begleiter.
„Die Swaneten. Das waren meine Vorfahren. Viele unserer kulturellen Bräuche stammen von ihnen.“
Mir fiel sofort das Lamm ein, das ich tags zuvor beobachtet hatte, wie es einen Berg hinaufgeführt wurde. Dass es geopfert werden sollte, hatte ich zunächst für einen Witz gehalten. „Aber heute versteckt ihr euch nicht mehr in Türmen?“
„Nein.“ Er lachte. „Es sind Überbleibsel von Früher. Jede größere Familie hatte ihren Turm, um sich zu schützen. Schau!“ Er deutete nach oben zu einer Öffnung unterhalb des intakten Daches. „Es gab früher eine Treppe, die bei Angriffen entfernt werden konnte.“ Er zuckte mit den Schultern. „Leider habe ich keine Leiter dabei.“
Türme boten Schutz + Wohnraum
Swanetische Wehrtürme bestehen zwischen drei und fünf Stockwerken und wurden sowohl als Wohnraum, als auch zum Schutz vor Überfällen genutzt. Sie waren optimale Verteidigungsposten gegen Eindringlinge, was unser Exemplar live unter Beweis stellte. Ohne Hilfsmittel, war ein Betreten unmöglich.
„Rapuzel?“ Wie gerne hätte ich eine Leiter gehabt. „Wohnst du da drin? Falls ja, lass doch bitte dein Haar herunter.“
Falls noch jemand im Turm wohnte, er oder sie zeigte sich uns nicht. Vielleicht war das auch okay so, denn bis heute fallen mir sofort die Türmchen ein, wenn ich an Georgien denke. Sie haben ihre Mystik nicht verloren und ich stelle mir immer noch eine Frau mit langen, dunklen Haaren vor, die im Türmchen wohnt.
Quellen:
National agency for cultural heritage preservation Georgia, aufgerufen am 16.06.2021
https://heritagesites.ge/en
UNESCO Weltkulturerbe, aufgerufen am 16.06.2021
https://whc.unesco.org/en/list/709/
Schwanitz, Mirko: Leben in Swanetiens Wohntürmen. Artikel vom 25.08.2013, erschienen über deutschlandfunk.de, aufgerufen am 18.06.2021
https://www.deutschlandfunk.de/leben-in-swanetiens-wohntuermen.691.de.html?dram:article_id=259095
Huey, Aaron: Swanetien – Bollwerk des Mittelalters. Artikel bei National Geografic erschienen, 2015, aufgerufen am 18.06.2021
https://www.nationalgeographic.de/geschichte-und-kultur/swanetien-bollwerk-des-mittelalters