Die Urwaldblume: Nie wieder Jane?!

„Bitte Mama, nur noch ein Kuscheltier.“ 

Ich sitze mit dem Laptop auf einer Bank im Leipziger Zoo, direkt neben einem Kiosk und schaue auf das riesige Kuppeldach von Gondwana. Der Schweiß verdunstet langsam von meiner Stirn, denn da drinnen war es wirklich tropisch. Dass dieser Besuch so emotional werden würde, damit habe ich jedoch nicht gerechnet. 

Gondwana, eine riesige, tropische Kuppel

Erst einmal, Gondwana und der Leipziger Zoo sind großartig. Mit viel Liebe gebaut, entdeckt man innerhalb dieser Kuppel Tiere und Pflanzen, die man ansonsten nur im Regenwald sieht, oder eben nicht, weil sie im Verborgenen bleiben. Für Groß und Klein ein echtes Megaerlebnis, auch wenn Afrika oder Südamerika weit weg liegen. 

Nun zur emotionalen Seite. Ich habe Pipi in den Augen und bin etwas verwirrt.

Auch früher fühlte ich mich oft nicht wohl in Zoos. Das kennst du vielleicht. Mir tun die Tiere leid. Ich kann mir keine Löwen oder Bären hinter Gittern ansehen, da könnte ich heulen und schreien und ich denke an meine Safari in Südafrika zurück. Heute ist das nicht so.

Im Leipziger Zoo kommen mir die Gehege relativ artgerecht vor. Ich fange jetzt auch keine Grundsatzdiskussion an, über Existenzrechte der Tiere und dass wir Menschen so tun, als gehöre dieser Planet uns allein, … auch dieses Thema ist nicht der eigentliche Grund für meine Emotionalität!

Jetzt kommts …

Ich bin wehmütig. Traurig und gleichzeitig glücklich. Zumindest durfte ich es miterleben, denke ich, auch wenn es längst vergangen ist. 

Ich betrete Gondwana und schaue auf den Torbogen mit der Aufschrift „Südamerika“. Schon beim Wort allein kribbelt es in meinem Bauch. Mein zweites Zuhause. Und schon sehe ich eine dieser tollen Blumen. So eine hat mir mein Tarzan damals aus dem Urwald gepflückt und mir geschenkt. Mein Herz klopft schneller, ich fühle es wie gestern, seine Berührungen, höre seine Stimme. Meine Wangen werden heiß. Hier wachsen die Urwaldblumen in denselben Farben, sogar zahlreicher als im echten Dschungel und ich sehe sein karamellfarbenes Gesicht vor mir. Mit seinen fast schwarzen Augen lächelt er mich an. „Lass uns in eine Hängematte klettern.“

HINWEIS: Alle Bilder auf der LINKEN SEITE zeigen Gondwana im Leipziger Zoo. Alle Fotos auf der RECHTEN SEITE stammen aus Ecuador!

Romantik, Drama, Abenteuer

Hinter mir drängen sich Kinder, die schreien und kreischen. Sie bringen mich zurück ins Hier und Jetzt und doch denke ich an seinen Kinderwunsch. Lieber zu viele als zu wenige, hatte er betont, selbst wenn es keine Waschmaschine im Urwald gibt. Jetzt stehe ich in Gondwana, mein Leben ist so anders als damals erdacht. Ich laufe weiter, entdecke Schlingpflanzen und künstliche Urwaldriesen. So vieles hier erinnert mich an diese Zeit, voll Romantik, Drama und Abenteuer. Mein persönliches Tarzan und Jane Erlebnis.

Und es tut weh. Es ist unwiederbringlich vorbei und auch wenn ich meine Entscheidung keinesfalls bereue, es sticht in meiner Seele. Mein Leben verläuft in den Bahnen, die ich mir gewünscht habe und doch erfüllt mich dieses künstliche Paradies mit Wehmut. Ich werde mich nie wieder wie Jane fühlen. Von Tarzan in den Dschungel entführt, verküsst und verliebt und mit einer Dschungel-Blume im Haar, während er an einer Liane schwingt. Kitschig, aber so war es. Eine Träne kullert über meine Wange, ich verstecke mich hinter einem großen Blatt, wische sie weg, dann geht es weiter.

Wie auf dem Mars

Der Pfad ist schmal, dann laufe ich auf Holzstegen. Über mir erstreckt sich das Gitter der Voliere. Ich stelle mir vor, das alles hier befände sich auf dem Mars. So eine Kuppel könnte ich mir dort gut vorstellen und bestimmt fühlte es sich ähnlich absurd und fremdartig an.

„Mama, ich möchte ein Äffchen sehen! Wie auf der Erde.“

Ich wandle durch das kühl-schwüle Luftgemisch, selbst das kommt mir seltsam vor. Ich fühle mich fehl am Platz. Für Fantasie und Sciencefiction hatte ich übrigens schon immer eine Leidenschaft, doch jetzt verschwimmt alles.

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Ein Totenkopfäffchen springt über meinen Kopf hinweg. Unter einem modellierten Stein schläft ein Tapir. In Südamerika hatte ich einmal eins streicheln dürfen. Ich erinnere mich an seine borstige, warme und dicke Haut. Ein Krokodil liegt in seiner Pfütze. Ich weiß noch, diese Kanufahrt, und mein Tarzan meinte: „Leise, dieser Riese kann uns ohne Probleme umwerfen.“ Das Exemplar hinter der Scheibe brächte das kaum zustande. Zwei Otter schmusen in ihrem Gehege und ich muss dran denken, wie mich so ein Otter einmal in den Finger gebissen hat. Dass ich damals den Finger nach ihm ausgestreckt hatte, war ein schmerzhafter Fehler gewesen, der Stammeshäuptling hatte zwar behauptet, es wäre ein zahmes Haustier, doch die Definition davon war in Ecuador wohl eine andere. Ich muss schmunzeln und schon wieder habe ich Pipi in den Augen. 

Ich vermisse den Dschungel von Ecuador

Für eine kurze Zeit durfte ich dort leben, mich sogar verlieben und erfahren wie es sich anfühlt im Dschungel zu wohnen. Darüber habe ich bereits Blogartikel geschrieben, die erfassen nur leider nicht so sehr die emotionale Seite. Meine tiefe Verbundenheit. Das Gefühl, dieser Urwald verschluckt mich mit Haut und Haar, und doch war ich so frei. So pur! So ich selbst. Das einzige Tagesziel: Einen Fisch fangen, damit wir was zu essen hatten. Kein Stress, kein materieller Ballast. Dafür viele Mücken und manchmal unerträgliche Hitze. Jedes Paradies hat Schattenseiten. Es gab natürlich auch Gründe, das Paradies zu verlassen.

Die Natur vermisse ich auf jeden Fall mehr, als das Drama mit dem eifersüchtigen Tarzan.

Ich steige den Canopywalk hinauf. Es ist beeindruckend, was die Erbauer von Gondwana hier geleistet haben. Über Hängebrücken erreiche ich die höchste der Aussichtsplattformen, direkt an einem nachgeahmten Urwaldriesen. Ich überblicke das Blätterdach unter der Kuppel und atme tief durch. Es riecht nicht wie in Ecuador, ist bei weitem nicht so stickig und doch läuft mir der Schweiß herunter. Klar, ich stehe ja auch mit Winterklamotten da. Meine Lieblingsvögel in Schwarzgelb fehlen. Schade, die hätte ich gerne mal wieder zwitschern gehört. 

Dafür reist mich einmal mehr Kindergeschrei aus den Gedanken, plus eine wütende Mutter: „Ach Sophia, du bist ja von oben bis unten mit Eis beschmiert. Ich habe doch gesagt, …“

Ich schaue ein letztes Mal über das grüne Dickicht und die Boote, die unter meinen Füßen über den konstruierten Fluss schippern. Dann wende ich mich ab und suche mir den schnellsten Weg hinaus. Meine Gedanken fliegen unkontrolliert umher. Am Ende bin ich vor allem dankbar und in mir wächst der Wunsch, mehr über meine Zeit als Jane zu schreiben. Vielleicht wären meine Erlebnisse etwas für meinen nächsten Reiseroman? Ich habe genug Herzschmerz erlebt, kribbelndes Latinofieber und auch Fieber im wahrsten Sinne … So viele Ideen spuken mir im Kopf herum, die Grenze zwischen Wahrheit und Fiktion wird fließend sein. 

So wie in Gondwana.

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